E²F - Entwurf und Entwicklung von wandelbaren Faltwerken
Motivation
Ein zentraler Vorteil des Konstruktionsprinzips Faltung liegt darin, dass es zwei fundamentale technische Funktionalitäten in sich vereint, nämlich diejenige der Wandelbarkeit und die der Induktion statisch nutzbarer Steifigkeit. Durch Einbringen von Falten lassen sich aus ebenen Platten mit dünnem Querschnitt hochbeanspruchbare Strukturen herstellen, die bei entsprechender konstruktiver Ausbildung der Faltkanten zudem wandelbar sein können. Es wird zwischen starren Faltungen als Strukturformprinzip für selbsttragende Leichtbaukonstruktionen und wandelbaren Faltungen als Konstruktionsprinzip für bewegliche Strukturen unterschieden. Beide Eigenschaften – Verstärkung und Wandelbarkeit – prädestinieren Faltstrukturen für Anwendungen in Architektur und Ingenieurwesen.
Ziele
Wandelbare Faltungen stellen die Verknüpfung von Architektur und Maschinenbau her, indem sie die technisch gesehen zentralen Aspekte des Bauens, der Statik und der Kinematik vereinen. Der Entwurf und die Auslegung solcher Strukturen erfordern daher den Wissenstransfer über tradierte Disziplingrenzen hinweg. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, den gezielten technischen Einsatz von wandelbaren Faltungen in Architektur und Ingenieurbau zu ermöglichen. Dazu muss ein spezifischer Entwicklungsprozess bereitgestellt werden.
Vorgehen
Die im Entwicklungsprozess auftretenden Problemstellungen müssen identifiziert und Anforderungen an einzusetzende Methoden definiert werden. Erst dadurch können fehlende Methoden und Werkzeuge entwickelt werden. Zunächst soll eine Übersicht technisch nutzbarer Faltmuster und zu erfüllender Aufgaben erstellt werden. Die ersten Teilziele sind die jeweilige Klassifizierung sowie die gegenseitige Zuordnung von Aufgaben und potentiellen Lösungen. Durch die tiefergehende Untersuchung der einsetzbaren wandelbaren Faltungen wird der Zusammenstellung zwischen typischer Eigenschaften und dem Einsatz dieser Faltstrukturen als Bau- oder Maschinenbaukonstruktion erörtert. Der Fokus liegt auf Faltungen im Bereich des Bauwesens und artverwandter Disziplinen wie dem Fahrzeug- oder Anlagenbau, wobei u. a. Einflüsse auf den Faltvorgang und das Tragverhalten zu untersuchen sind.
Klassifizieren wandelbarer Faltungen
Im Rahmen von Marktanalysen und Literaturrecherche werden Beispiele für wandelbare Strukturen in technischen Anwendungen erfasst. Anschließend können durch die Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden charakteristische Merkmale identifiziert werden, die sich zur einheitlichen Beschreibung und Klassifikation von Faltungen eignen. Der Fokus der Arbeiten soll hierbei auf Faltungen aus biegesteifen, quasi starren Flächen mit nicht vernachlässigbaren, definiten Dicken liegen. Die systematische Beschreibung und Klassifikation von Faltungen ist die Voraussetzung für die Entwicklung eines spezifischen Entwicklungsprozesses. Um eine vollständige Klassifizierung zu gewährleisten, müssen wandelbare Faltstrukturen sowohl aus dem Maschinenwesen als auch aus der Architektur und dem Bauwesen systematisch erfasst werden. Für die Identifikation der Charakteristika sind sowohl Kenntnisse über Geometrie und Tessellierung als auch über Konstruktions- und Bewegungstechnik erforderlich.
Klassifizieren möglicher Aufgaben
Faltungen können zur Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben eingesetzt werden. Dazu gehört unter anderem die Reduktion des Platzbedarfs, z. B. bei temporären Pavillons, oder auch die Veränderung der Wirkfläche, z. B. bei Fassaden, die sich der Tageszeit und Klimasituation anpassen. Neben dem reinen Zweck können zu erfüllende Aufgaben nach weiteren, zum Beispiel geometrischen oder kinematischen Kriterien unterschieden werden. Eine systematische Zusammenstellung und Klassifizierung der durch Faltung lösbaren Aufgaben fehlt bisher. Die Identifikation der vorliegenden Aufgaben und der sie beschreibenden Randbedingungen führt zu einer systematischen Charakterisierung der jeweiligen Aufgabe. Aus den Beschreibungen heraus werden Aufgabenklassen definiert. Darüber hinaus werden mögliche neue Kombinationen von Eigenschaften der Aufgaben überprüft, um dadurch weitere Klassen von Aufgaben und somit neue Einsatzbereiche für Faltungen aufzuzeigen.
Analyse spezifischer technischer Probleme bei der Entwicklung wandelbarer Faltungen
Viele wandelbare Faltungen haben ihren Ursprung in der Kunstform Origami. Die beweglichen Modelle aus Papier, einem Material mit vernachlässigbarer Dicke, sind in der Lage Verdrehungen und Zwängungen während des Bewegungsablaufs aufzunehmen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Die in diesem Vorhaben betrachteten Faltstrukturen bestehen aus steifen Werkstoffen mit einer definiten Dicke. Dabei liegt eine besondere Herausforderung darin, dass sich gegebenenfalls die kinematischen Eigenschaften ändern. Eine zentrale Aufgabe für die komplexen Faltgeometrien liegt in der Detail- und Gelenkausbildung sowie in den Herstellungsprozessen und dem Montageablauf. Erkenntnisse darüber, welche Schwierigkeiten bei der Entwicklung wandelbarer Faltstrukturen auftreten und dazu führen, dass sie bislang nur sporadisch eingesetzt werden, sollen systematisch gewonnen werden.
Zuordnung spezifischer Probleme zu bekannten Entwicklungsprozessen
Für die strukturierte Vorgehensweise und die methodische Auslegung faltbarer Strukturen können bereits formulierte Entwicklungsprozesse Anwendung finden. Diese berücksichtigen jedoch nicht die speziellen Anforderungen faltbarer Strukturen, wie sie sich aus dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Disziplinen und der verschiedenen Anwendungsgebiete ergeben. Die zusammengestellten, spezifischen Probleme faltbarer Strukturen werden bekannten Entwicklungsprozesse zugeordnet. Basierend auf der Einordnung wird der bestgeeignete Entwicklungsprozess als Basis für einen spezifischen Entwicklungsprozess ausgewählt.
Formulierung und Verifizierung des spezifischen Entwicklungsprozesses
Ein spezifischer, maßgeschneiderter Entwicklungsprozess unterstützt die Architekten und Ingenieure in allen Phasen eines Projektes. Dieser orientiert sich an bestehenden Richtlinien und Prozessen aus dem Ingenieurwesen und der Architektur. Der Entwicklungsprozess wird um weitere faltungsspezifische Randbedingungen und Anforderungen erweitert. Klare Definitionen der Arbeitsschritte und der jeweiligen Schnittstellen sollen sowohl einen durchgängigen als auch selektiven Einsatz der Prozessschritte erlauben. Der so formulierte, spezifische Prozess stellt eine Hypothese dar, die auf Anwendbarkeit zu überprüfen ist. Eine qualitative Bewertung erfolgt durch konkrete Aufgabenstellung und deren Bearbeitung in Workshops. Die Ergebnisse und das Feedback fließen in die Prozessentwicklung ein.
Methoden und Werkzeuge für die Entwicklung wandelbarer Faltungen
In den verschiedenen Ingenieursdisziplinen stehen für einzelne Schritte des Entwicklungsprozesses und unterschiedliche Aspekte der Auslegung diverse Methoden zur Verfügung. Dazu gehören neben Vorgehensweisen zur Ermittlung von Anforderungen auch Kataloge zur Auswahl physikalischer Effekte, Verfahren zur Maßsynthese von Mechanismen oder Analysemethoden wie die Finite-Elemente- und die Mehrkörper-Simulation. Die Eignung dieser Methoden sowie zugehöriger Werkzeuge für die effiziente Entwicklung und Auslegung wandelbarer Strukturen wird untersucht. Dabei muss überprüft werden, ob der Funktionsumfang der zugehörigen Werkzeuge angemessen ist sowie bei welchen konkreten Fragestellungen und zu welchem Zeitpunkt des Entwicklungsprozesses sie effektiv eingesetzt werden können. Dies zeigt auf, ob für die Durchführung der entsprechenden Entwicklungsschritte vorhandene Methoden angepasst oder neue entwickelt werden müssen.
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