Mit Schrauben bewehrtes Holz

  4-Punkt Biegeversuch an einem mit Schrauben bewehrten Träger © Tragkonstruktionen  

Konventionelle Holzschrauben sind teilweise gewindet und werden normalerweise für Scherverbindungen verwendet, ähnlich wie Nägel oder Stahldübel. Neue Arten von Schrauben mit selbst-bohrenden oder selbst-schneidenden Gewinden können schnell und einfach mit elektrischen Hilfsmittel geschraubt werden und kommen häufig beim Befestigen von Plattenwerkstoffen in Wand- und Bodenkonstruktionen zum Einsatz.

Die selbst-schneidenden Vollgewindeschrauben sind speziell gehärtet um eine höhere Zugfestigkeit von über 800 N/mm2 zu erreichen, sodass hohe axiale Belastungen bei kleinen Kernquerschnitten aufgebracht und die Spaltgefahr gesenkt werden kann. Die hohe Festigkeit und der kontinuierliche Verbund ermöglicht die Verwendung dieser Schrauben zum Bewehren von Holzelementen wie auch in bewehrten Betonkontruktionen. Der Ansatz für die Verwendung von Vollgewindeschrauben für bewehrte Holzelemente basiert auf der speziellen Struktur des Holzes, welches eine unverwechselbare Anisotropie besitzt. Die zellulare Struktur ermöglicht eine geringe Dichte und die längs gerichteten Fasern bilden eine hohe Zugfestigkeit parallel zur Faser. Senkrecht zur Faser kann Holz bezüglich Festigkeit und Stetigkeit nur wenig aufnehmen. Vor allem die Zugfestigkeit orthogonal zur Faser ist sehr gering uns darum sehr spaltgefährdet. Die Schersteifigkeit und Scherfestigkeit des Holzes ist ebenso relativ gering im Vergleich zur parallel zur Faser gerichteten Festigkeit.

Die Leistung von Holzbauelementen kann durch systematische Bewehrung der „schwachen“ Richtung mit Vollgewindeschrauben verbessert werden. Die Schrauben leiten rechtwinklig zur Faser gerichtete Zug- und Druckkräfte ab und können auch Scherkräfte diagonal zur Faser aufnehmen. Die Bewehrungsschrauben können für lokale Belastungskonzentrationen und generell zur Erhöhung der Festigkeit und Steifigkeit des ganzen Elementes angewendet werden. Die Bewehrung mit Schrauben ist geeignet die inneren Kräftefluss zu steuern und dadurch negative Auswirkungen von lokalen Materialfehlern und das Risiko von unvorhersehbaren Versagen zu senken.

 

Anordnung und Dimensionierung von Schraubenbewehrung

Abbildung 2 © Tragkonstruktionen Beispiele für Stabwerkmodelle

Um eine breites Anwendungsfeld der Vollgewindeschrauben als Bewehrung in Holzbaukonstruktionen zu ermöglichen, ist ein Dimensionierungskonzept erforderlich, welches Ingenieuren ermöglicht, die Anordnung der Schrauben möglichst einfach für jeden Anwendungsfall der Bewehrung zu generieren. Die komplexen Bedingungen, zum Beispiel die Faserrichtung oder die Kraftübertragung, die Abhängigkeit von Bauteilabmessungen aufgrund der Faserrichtung und Mischkonstruktionen aus verschiedenen Materialien, vor allem Holz und Stahl, fordern numerische Kalkulationsmethoden. So ist für die praktische Anwendung eine einfache Anordnungsmethode erforderlich, welche die Dimensionierung der Bewehrung vereinfacht.

Ein vielversprechender Ansatz zum Beschreiben des materiellen Verhalten der Schraubenbewehrung ist die Verwendung der Stabwerkmethode, welche auch für bewehrte Betonkonstruktionen verwendet wird. Diese Stabwerkmethode erlaubt eine idealisierte Modellierung des inneren Kräfteflusses durch Zuweisung der Kräfte zu den Stäben des virtuellen Fachwerks im Träger oder in der Verbindung.

Das Stabwerkmodell, welches den inneren Kräftefluss zeigt, kann auf ingenieurmäßigen Experimenten oder vorhandenen Modellen und Untersuchungen des inneren Kräfteflusses aufgebaut werden. Für komplexere Systeme muss eine Finite-Elemente-Methode angewandt werden, um das Stabkraftmodell an die Hauptspannungsrichtungen anzupassen. Trotzdem kann es nötig sein, das System des inneren Fachwerkmodells zu ändern, um Bewehrungselemente konzentriert auf verschiedene Lastfälle anzuordnen. So eine Änderung kann zum Beispiel zur Optimierung des Hebelarms der inneren Kräfte in Verbindungen oder zur Entlastung von Belastungsspitzen in Holzelementen. Die Kräfte des Stabwerkmodells kann einfach mit üblichen händischen Methoden oder mit einfacher Ingenieursoftware berechnet werden. Die Dimensionierung der Bewehrungsschrauben kann von den Kräften des virtuellen inneren Fachwerks berechnet werden. Besteht keine Gefahr des Versagens, beispielsweise durch seitliche Zugkräfte oder Scherspannungen, können die Stabelemente zum Holz und zur Bewehrung zugewiesen werden.

 

Anwendungen der Bewehrung mit Schrauben

Selbst-schneidende Vollgewindeschrauben können sehr effektiv bei Verstärkungen von Holzkonstruktionen angewendet werden und mit anderen zusätzlichen Maßnahmen, wie Stahlverbindungsblechen, kombiniert werden. Einige individuelle Möglichkeiten der Bewehrung von Holzkonstruktionen haben sich bereits durchgesetzt. Der Lehrstuhl für Tragkonstruktionen der RWTH Aachen führte in den Jahren 2007 und 2008 zwei Forschungsarbeiten durch, um unterschiedliche Bewehrungsarten für Träger und Verbindungen zu untersuchen.

 

Verstärkung von Holzbalken

Zwei geprüfte Fachwerksysteme und deren Schersteifigkeitsverbesserung im Vergleich zu einem Holzträger ohne Bewehrung © Tragkonstruktionen Zwei geprüfte Fachwerksysteme und deren Schersteifigkeitsverbesserung im Vergleich zu einem Holzträger ohne Bewehrung

Vollgewindeschrauben wurden in verschiedenen Anordnungen aufgrund des inneren Fachwerksystems verwendet um die Schersteifigkeit des Trägers zu erhöhen. Die Versuche wurden gemäß DIN EN 408 mit Leimholzträgern GL 24 und Abmessungen von 16/32 cm durchgeführt. Eine erheblich Verbesserung der Schersteifigkeit konnte vor allem bei der Anordnung der Bewehrung nach dem Fachwerkmodell, bei dem die Druck- und Zugelemente mit Schrauben versehen wurde. Ein Fachwerkmodell mit einer Kombination von diagonalen Zugelementen aus Schrauben und idealisierte vertikale Druckelemente aus nicht bewehrtem Holz hatten viel schlechtere Ergebnisse aufgrund der geringen Festigkeit des Holzes rechtwinklig zur Faser. Im oberen Diagramm sieht man zwei der geprüften Fachwerksysteme und deren Schersteifigkeitsverbesserung im Vergleich zu einem Holzträger ohne Bewehrung.

Der nächste Schritt war es die Diagonalen und lateralen Schubbewehrungen mit längslaufenden Bewehrungselementen zu verstärken, um die Biegesteifigkeit und die Biegebeanspruchbarkeit zu erhöhen. Es wurde entschieden, außerhalb des Trägers Stahlelemente als Biegebewehrung zu verwenden. Die hohe Festigkeit und der hohe Elastizitätsmoduls des Stahls ermöglicht eine hohe Festigkeit des Holzträgers bei kleinen Querschnitten. Die Stahllamellen wurden am Holzträger mit diagonal angeordneten Schrauben und speziellen Verankerungskeilen befestigt. Da die Lamellen und der der Holzträger eine Verbundsystem bilden, ist die Steifigkeit der Schnittstelle entscheidend für die Belastbarkeit des bewehrten Trägers. Die hohe axiale Steifigkeit der Schrauben und die verkeilende Geometrie der Verankerungskeile ermöglichen eine hohe Verbundsteifigkeit. Der Versuchsaufbau mit den Stahllamellen und den Verankerungskeilen wird im Titelbild gezeigt.

 
Vergleich des tragwerktechnischen Verhaltens bewehrter und unbewehrter Träger © Tragkonstruktionen Vergleich des tragwerktechnischen Verhaltens bewehrter und unbewehrter Träger

Zwei verschiedene Lammellenanordnungen wurden bei verstärkten Leimholzträgern mit einem Querschnitt von 16/32cm und einer Länge von 5.76 m: einer 6mm dicken Lamelle aus Stahl S 235 und einer 8mm dicken Lamelle aus Stahl S 355. Das tragwerktechnische Verhalten der bewehrten Träger wurden mit einem unbewehrten Träger verglichen und wird im Diagramm links dargelegt.

Die Versuchsergebnisse unterstreichen die hohe Belastbarkeit der Verbundkonstruktion von inneren fachwerk-ähnlichen Schraubenanordnungen und externen Stahlelementen. Diese Methode ist vor allem für nachträgliches Bewehren von Trägern und Sanierungen von Konstruktionen geeignet, weil sie vor Ort und relativ unbeeinflusst von Feuchtigkeitsbedingungen, Oberflächenqualitäten des Holzes und klimatischen Bedingungen, eingebracht werden kann.

 

Konstruktive Verbindungen mit Vollgewindeschrauben

Schraubenanordnungen und Testaufbau © Tragkonstruktionen Schraubenanordnungen und Testaufbau

Bei Versuchen von konstruktiven Verbindungen wurde in einer ersten Serie die Zugelemente mit quadratischen Querschnitt mit einer einseitigen Lasche und schiefen Schrauben verbunden. Im Vergleich zu einer konventionellen Verbindung können Schraubenverbindungen mit der maximalen Anzahl an geometrisch möglichen Stahldübel 18% höhere Tragfähigkeit und vor allem eine höhere Steifigkeit in Längsrichtung. Weiteres leiten die Bewehrungsschrauben die inneren Zugkräfte in die Lasche, sodass die exzentrische Belastung reduziert wird und ein Versagen verhindert wird.

Ein großes Forschungsfeld von Schraubverbindungen sind biegesteife Rahmenecken, welche als ein schnittige Gehrung gebaut wird. Die Verbindungen sind für positive und negative Biegemomente ausgelegt.

Die Tragfähigkeit der Verbindungen konnte im Verlauf der zwei Forschungsprojekte durch Verbesserung der Anordnung und Maximierung der Schrauben angehoben werden. Für das negative und positive Biegemoment war die höchste Belastung deutlich höher als die charakteristischen Werte von berechneten konventionellen Rahmeneckverbindungen, wie zum Beispiel Stahldübel im Kreis angeordnet oder verleimte Keilverzinkung. Damit wurde bewiesen, dass das verwendete Stabwerkmodell eine geeignete Methode für die Dimensionierung von Rahmenecken. Die Konzentrierung von Steifigkeitsbewehrungselementen zum Leiten von inneren Kräften in eine gewünschte Richtung war ebenfalls angewandt. Bei der Anordnung von Gewindestangen nahe der inneren Ecke der Verbindung, kann der Hebelarm der inneren Kräfte in der Gehrung maximiert werden, sodass das zu übertragenden Biegemoment erhöht werden kann. Gleichzeitig konnte der Einschnitt des Holzes in der inneren Ecke reduziert werden, sodass eine erhöhte Steifigkeit der gesamten Verbindung erzielt werden konnte.

Die hohe Tragfähigkeit der geprüften Rahmenecke ermöglicht leichte und schlanke Rahmenkonstruktionen mit hoher architektonischer Qualität.